Freiwilligendienst 01.01.2010 17:40 Uhr
Es ist gar keine so große Seltenheit, dass sich junge Menschen zwischen Schule und Beruf zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr entschließen. Sie reisen in Länder, in denen Hilfe nicht selbstverständlich ist, aber die Not groß. Ein Beispiel ist Barbara Hof aus Bobingen. Sie schildert hier ihre Eindrücke aus Rumänien.
ALFA
Bobingen/Havadtö, Rumänien. Wer von Bobingen nach Rumänien geht, um seine Vorurteile zu bestätigen, findet tatsächlich Pferdekutschen, die immer und überall unterwegs sind, Straßen, die zu einem großen Teil nur Schotterwege sind, mittelalterliche Ziehbrunnen, öffentliche Verkehrsmittel, die unpünktlich verkehren. Wer sich aber lange genug hier aufhält, wird feststellen, dass diese Dinge nicht unbedingt negativ sind, und dass es noch eine Menge unerwarteter Sachen zu erleben und positive Erfahrungen zu machen gibt.
Das hat schon bei meiner Ankunft im Kinderheim begonnen. Ich wurde freundlich empfangen, und von Anfang an haben viele versucht, sich mit mir trotz meiner Sprachprobleme zu unterhalten. Die Gestaltung meines Tages ergibt sich aus der Laune der Kinder, aus ihren Bedürfnissen und auch ein bisschen aus meiner eigenen Laune. Hausaufgabenhilfe gehört genauso dazu wie Spielen, Haarekämmen und Flechten oder einfach nur da zu sein für die Waisen und Halbwaisen, die sehr liebebedürftig sind.
Anfangs war ich überrascht: Die Kinder schienen allesamt fröhlich zu sein. Sie haben mich sofort aufgenommen, und ich beschäftigte mich mit ihnen, so gut es ging. Aber mit der Zeit musste ich feststellen, dass den Kindern doch mehr fehlt, als man auf den ersten Blick sieht. Vor allem bei den Kleineren kommt es nicht selten vor, dass sich ein Kind auf dem Schoß plötzlich vor Verzweiflung windet und „Anyu, anyu, Mami“ wimmert.
Die drei Erzieherinnen, die abwechselnd da sind, haben nur wenig Zeit für einzelne der 24 Buben und Mädchen. Deshalb bedeutet für die Kinder jede Person, die sich zusätzlich mit ihnen beschäftigt, ein Stückchen mehr Geborgenheit. Manche der Kleinen sehen mich schon ein bisschen als Elternersatz, da sie mit mir auch kuscheln dürfen. Weil ich Freiwillige bin, muss ich sie nicht nur erziehen, sondern kann mir auch den einen oder anderen Spaß mit ihnen erlauben. Jeden Freitag ist es wieder schwer, mich von ihnen zu verabschieden, wenn ich für zwei Tage weg bin.
Es war für mich ungewohnt zu sehen, wegen welcher Kleinigkeiten die Vier- bis Achtjährigen zurechtgewiesen werden. Ein bisschen zu wild gespielt, ein bisschen zu viel Durcheinander auf dem Boden im Kinderzimmer, und schon werden die Erzieherinnen ziemlich laut. Die meisten Kinder können das gut ertragen, es gibt allerdings ein Mädchen, das deswegen regelmäßig weint. Ich tröste es dann so gut ich kann, weil ich den Eindruck habe, dass sie sich im Vergleich zu den anderen Kleinen, deren Mutter noch mit im Heim wohnt, weniger geliebt fühlt und deswegen in solchen Situationen überreagiert.
Zu den Jugendlichen im Heim hat sich der Kontakt langsamer aufgebaut. Anfangs hatte ich nur bei den Hausaufgaben mit ihnen zu tun, sonst nur mit den Kindern. Seitdem ich mit der Sprache erste Fortschritte gemacht habe, komme ich auch mit den Älteren öfter ins Gespräch. Mittlerweile verstehen wir uns gut und haben sogar bei den Hausaufgaben Spaß zusammen.
Mittlerweile verstehe ich im Alltag schon fast alles, was mir erklärt wird, und manchmal sogar etwas ohne Erklärung. Sprechen kann ich natürlich auch ein bisschen, ohne Grammatik und sonstigen Schnickschnack – aber immerhin. Da ist die Hauptsache erst einmal, dass es verstanden wird.
Am Wochenende nutze ich meine freie Zeit zum Entspannen und um zusammen mit Mitfreiwilligen andere Gesichter Rumäniens als das transsilvanische Dorfleben kennenzulernen. Zum Beispiel Nou, ein kleines Dorf in der Nähe von Sibiu, mit einer Geröllhauptstraße, wo wir erfahren durften, wie es ist, mit einer Pferdekutsche eine Serpentinenstraße bergab zu fahren.
Das totale Gegenteil haben wir in Bukarest erlebt. Eine große Stadt, überfüllt mit Autos, die zusammen den verrücktesten Verkehr produzieren, den ich je gesehen habe, und die von Mittelstreifen bis Fußgängerüberweg überall parken.
Ansonsten haben wir noch andere Städte – vom Plattenbauten-Hunedoara bis zum Altstadtparadies Sighisoara – besichtigt, und auch wunderschöne Landschaften gesehen. Ganz besonders habe ich den Anblick des Bergsees Sant Ana in den Karpaten genossen.
Die Fahrten sind immer wieder aufregend, da es keine Busfahrpläne gibt, und bei Zügen nicht selten Verspätungen von bis zu mehreren Stunden vorkommen. Weiß man sich die Wartezeiten mit guter Laune zu vertreiben, sind sie weniger Auslöser von Ärger und Langeweile, als vielmehr lustige rumänische Erlebnisse. Ich freue mich schon auf alle weiteren Erfahrungen mit diesem Land, das ich noch ein halbes Jahr erleben darf.
Von Barbara Hof
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Für ein Jahr ins rumänische Waisenhaus

Freiwilligendienst 01.01.2010 17:40 Uhr
Es ist gar keine so große Seltenheit, dass sich junge Menschen zwischen Schule und Beruf zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr entschließen. Sie reisen in Länder, in denen Hilfe nicht selbstverständlich ist, aber die Not groß. Ein Beispiel ist Barbara Hof aus Bobingen. Sie schildert hier ihre Eindrücke aus Rumänien.
ALFA
Bobingen/Havadtö, Rumänien. Wer von Bobingen nach Rumänien geht, um seine Vorurteile zu bestätigen, findet tatsächlich Pferdekutschen, die immer und überall unterwegs sind, Straßen, die zu einem großen Teil nur Schotterwege sind, mittelalterliche Ziehbrunnen, öffentliche Verkehrsmittel, die unpünktlich verkehren. Wer sich aber lange genug hier aufhält, wird feststellen, dass diese Dinge nicht unbedingt negativ sind, und dass es noch eine Menge unerwarteter Sachen zu erleben und positive Erfahrungen zu machen gibt.
Das hat schon bei meiner Ankunft im Kinderheim begonnen. Ich wurde freundlich empfangen, und von Anfang an haben viele versucht, sich mit mir trotz meiner Sprachprobleme zu unterhalten. Die Gestaltung meines Tages ergibt sich aus der Laune der Kinder, aus ihren Bedürfnissen und auch ein bisschen aus meiner eigenen Laune. Hausaufgabenhilfe gehört genauso dazu wie Spielen, Haarekämmen und Flechten oder einfach nur da zu sein für die Waisen und Halbwaisen, die sehr liebebedürftig sind.
Anfangs war ich überrascht: Die Kinder schienen allesamt fröhlich zu sein. Sie haben mich sofort aufgenommen, und ich beschäftigte mich mit ihnen, so gut es ging. Aber mit der Zeit musste ich feststellen, dass den Kindern doch mehr fehlt, als man auf den ersten Blick sieht. Vor allem bei den Kleineren kommt es nicht selten vor, dass sich ein Kind auf dem Schoß plötzlich vor Verzweiflung windet und „Anyu, anyu, Mami“ wimmert.
Die drei Erzieherinnen, die abwechselnd da sind, haben nur wenig Zeit für einzelne der 24 Buben und Mädchen. Deshalb bedeutet für die Kinder jede Person, die sich zusätzlich mit ihnen beschäftigt, ein Stückchen mehr Geborgenheit. Manche der Kleinen sehen mich schon ein bisschen als Elternersatz, da sie mit mir auch kuscheln dürfen. Weil ich Freiwillige bin, muss ich sie nicht nur erziehen, sondern kann mir auch den einen oder anderen Spaß mit ihnen erlauben. Jeden Freitag ist es wieder schwer, mich von ihnen zu verabschieden, wenn ich für zwei Tage weg bin.
Es war für mich ungewohnt zu sehen, wegen welcher Kleinigkeiten die Vier- bis Achtjährigen zurechtgewiesen werden. Ein bisschen zu wild gespielt, ein bisschen zu viel Durcheinander auf dem Boden im Kinderzimmer, und schon werden die Erzieherinnen ziemlich laut. Die meisten Kinder können das gut ertragen, es gibt allerdings ein Mädchen, das deswegen regelmäßig weint. Ich tröste es dann so gut ich kann, weil ich den Eindruck habe, dass sie sich im Vergleich zu den anderen Kleinen, deren Mutter noch mit im Heim wohnt, weniger geliebt fühlt und deswegen in solchen Situationen überreagiert.
Zu den Jugendlichen im Heim hat sich der Kontakt langsamer aufgebaut. Anfangs hatte ich nur bei den Hausaufgaben mit ihnen zu tun, sonst nur mit den Kindern. Seitdem ich mit der Sprache erste Fortschritte gemacht habe, komme ich auch mit den Älteren öfter ins Gespräch. Mittlerweile verstehen wir uns gut und haben sogar bei den Hausaufgaben Spaß zusammen.
Mittlerweile verstehe ich im Alltag schon fast alles, was mir erklärt wird, und manchmal sogar etwas ohne Erklärung. Sprechen kann ich natürlich auch ein bisschen, ohne Grammatik und sonstigen Schnickschnack – aber immerhin. Da ist die Hauptsache erst einmal, dass es verstanden wird.
Am Wochenende nutze ich meine freie Zeit zum Entspannen und um zusammen mit Mitfreiwilligen andere Gesichter Rumäniens als das transsilvanische Dorfleben kennenzulernen. Zum Beispiel Nou, ein kleines Dorf in der Nähe von Sibiu, mit einer Geröllhauptstraße, wo wir erfahren durften, wie es ist, mit einer Pferdekutsche eine Serpentinenstraße bergab zu fahren.
Das totale Gegenteil haben wir in Bukarest erlebt. Eine große Stadt, überfüllt mit Autos, die zusammen den verrücktesten Verkehr produzieren, den ich je gesehen habe, und die von Mittelstreifen bis Fußgängerüberweg überall parken.
Ansonsten haben wir noch andere Städte – vom Plattenbauten-Hunedoara bis zum Altstadtparadies Sighisoara – besichtigt, und auch wunderschöne Landschaften gesehen. Ganz besonders habe ich den Anblick des Bergsees Sant Ana in den Karpaten genossen.
Die Fahrten sind immer wieder aufregend, da es keine Busfahrpläne gibt, und bei Zügen nicht selten Verspätungen von bis zu mehreren Stunden vorkommen. Weiß man sich die Wartezeiten mit guter Laune zu vertreiben, sind sie weniger Auslöser von Ärger und Langeweile, als vielmehr lustige rumänische Erlebnisse. Ich freue mich schon auf alle weiteren Erfahrungen mit diesem Land, das ich noch ein halbes Jahr erleben darf.
Von Barbara Hof
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Postat de pe data de 31 dec., 2009 in categoria România în lume. Poti urmari comentariile acestui articol prin RSS 2.0. Acest articol a fost vizualizat de 438 ori.

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