Müssen Deutschlands Kohlearbeiter ihren Helm früher an den Nagel hängen? Quelle: dpa
BRÜSSEL. Der Streit über das geplante vorzeitige Aus für deutsche Steinkohlesubventionen eskaliert. Die EU-Kommission wies die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an dem Vorschlag zurück, die Subventionen schon 2014 und nicht – wie in Berlin geplant – frühestens 2018 auslaufen zu lassen. „Das Kanzleramt war über den Plan rechtzeitig und ausführlich informiert“, hieß es in Brüsseler Kommissionskreisen. Von einem Überraschungscoup könne deshalb keine Rede sein.
Das Kanzleramt wies die Darstellung zurück. In der Berliner Regierungszentrale sei man davon ausgegangen, dass der Vorschlag von Energiekommissar Günther Oettinger und Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, das Auslaufdatum auf 2018 festzulegen, trotz einiger Bedenken in der Kommission akzeptiert werde, hieß es im Kanzleramt.
Merkel hatte sich von dem Beschluss der Kommission vom Dienstag überrascht gezeigt und Widerstand angekündigt. Sie sei „nicht begeistert“ und wolle das Thema auf EU-Ebene noch einmal ansprechen, sagte die Kanzlerin.
Die Äußerungen der Bundeskanzlerin lösten Verwunderung in Brüssel aus. „Merkel tut beleidigt, dabei kannte sie die Debatte sehr genau“, hieß es gestern in der EU-Behörde. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine 2002 beschlossene EU-Verordnung zu den Kohlesubventionen Ende dieses Jahres ausläuft. Außerdem sei Merkel von Energiekommissar Günther Oettinger über die Brüsseler Bedenken informiert worden. An der entscheidenden Sitzung fehlte der CDU-Politiker. So konnten sich die Subventionsgegner durchsetzen. „Für die Kumpels im Ruhrgebiet war Oettingers Fehlstunde fatal“, kritisierten die SPD-Europaabgeordneten Bernhard Rapkay und Jens Geier.
Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia hatte der Industrie ursprünglich mehr Zeit einräumen wollen, um aus der Steinkohleförderung auszusteigen. Seinen Plänen zufolge sollten die staatlichen Fördermittel vom kommenden Jahr an eingeschränkt werden und dann allmählich auslaufen. Ein endgültiges Ausstiegsdatum sollte zwischen 2020 und 2023 liegen. Entsprechend hatte Almunia, der auch Vizepräsident der EU-Kommission ist, die Ende des Jahres auslaufende Beihilferichtlinie erneuern wollen.
Dass nun der 1. Oktober 2014 als Ausstiegsdatum auf dem Tisch liegt, wurmt nicht nur die Bundesregierung in Berlin. „Wir waren von der Entscheidung des Kollegiums sehr überrascht”, heißt es in Kreisen der Brüsseler Wettbewerbshüter, was ohne Diplomatenschnickschnack soviel heißt wie: Kommissar Almunia hat um seinen Standpunkt gekämpft wie ein Löwe – und verloren. Das höhere Tempo sei wenig nachvollziehbar und stelle die betroffenen Länder vor große Herausforderungen, heißt es in Almunias Umfeld.
Das ein Fachkommissar überstimmt wird, kommt in der Tat nicht häufig vor. Offenbar hatten vor allem die Klimakommissarin Connie Hedegaard und Umweltkommissar Janez Potocnik mit ihren Argumenten bei EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die besseren Karten. Auch um eine CO2-Steuer hatte es in der Vergangenheit bereits Streit im Kommissarskollegium gegeben. Steuerkommissar Algirdas Semeta will die geltenden EU-Mindestsätze für Verbrauchssteuern auf Kraftstoffe, Heizöl, Gas und Strom grundsätzlich überarbeiten, um eine zusätzliche CO2-Steuer aufzuschlagen. So will er die Verbrauchssteuern stärker am Energiegehalt und somit an den klimaschädlichen Emissionen ausrichten. Das Kollegium vertagte den Punkt auf die Zeit nach der Sommerpause.
Dreh- und Angelpunkt ist immer wieder die Frage, wie nachhaltig die Europäer künftig wirtschaften sollen. Darüber sind sich die Kommissare offenbar uneins.
Hintergrund der Auseinandersetzung um die Steinkohlebeihilfen sind die Ziele zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Kohlekraftwerke gelten als besonders klimaschädlich. Insgesamt haben die 27 EU-Mitglieder zwischen 2006 und 2008 jährlich im Schnitt noch rund 3,3Mrd. Euro an Steinkohlesubventionen gezahlt. Davon entfielen 2,1 Mrd. Euro auf Deutschland, 836 Mio. auf Spanien,110 Mio. auf Rumänien, 91 Mio. auf Polen und 42 Mio. Euro auf Ungarn.
Neben Deutschland wollen auch Spanien und Rumänien an den Kohlesubventionen festhalten. Allerdings verfügen sie im EU-Ministerrat nicht über die nötige qualifizierte Mehrheit, um den Kommissionsplan zu Fall zu bringen.

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EU schwärzt Merkel an

Müssen Deutschlands Kohlearbeiter ihren Helm früher an den Nagel hängen? Quelle: dpa
BRÜSSEL. Der Streit über das geplante vorzeitige Aus für deutsche Steinkohlesubventionen eskaliert. Die EU-Kommission wies die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an dem Vorschlag zurück, die Subventionen schon 2014 und nicht – wie in Berlin geplant – frühestens 2018 auslaufen zu lassen. „Das Kanzleramt war über den Plan rechtzeitig und ausführlich informiert“, hieß es in Brüsseler Kommissionskreisen. Von einem Überraschungscoup könne deshalb keine Rede sein.
Das Kanzleramt wies die Darstellung zurück. In der Berliner Regierungszentrale sei man davon ausgegangen, dass der Vorschlag von Energiekommissar Günther Oettinger und Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, das Auslaufdatum auf 2018 festzulegen, trotz einiger Bedenken in der Kommission akzeptiert werde, hieß es im Kanzleramt.
Merkel hatte sich von dem Beschluss der Kommission vom Dienstag überrascht gezeigt und Widerstand angekündigt. Sie sei „nicht begeistert“ und wolle das Thema auf EU-Ebene noch einmal ansprechen, sagte die Kanzlerin.
Die Äußerungen der Bundeskanzlerin lösten Verwunderung in Brüssel aus. „Merkel tut beleidigt, dabei kannte sie die Debatte sehr genau“, hieß es gestern in der EU-Behörde. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine 2002 beschlossene EU-Verordnung zu den Kohlesubventionen Ende dieses Jahres ausläuft. Außerdem sei Merkel von Energiekommissar Günther Oettinger über die Brüsseler Bedenken informiert worden. An der entscheidenden Sitzung fehlte der CDU-Politiker. So konnten sich die Subventionsgegner durchsetzen. „Für die Kumpels im Ruhrgebiet war Oettingers Fehlstunde fatal“, kritisierten die SPD-Europaabgeordneten Bernhard Rapkay und Jens Geier.
Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia hatte der Industrie ursprünglich mehr Zeit einräumen wollen, um aus der Steinkohleförderung auszusteigen. Seinen Plänen zufolge sollten die staatlichen Fördermittel vom kommenden Jahr an eingeschränkt werden und dann allmählich auslaufen. Ein endgültiges Ausstiegsdatum sollte zwischen 2020 und 2023 liegen. Entsprechend hatte Almunia, der auch Vizepräsident der EU-Kommission ist, die Ende des Jahres auslaufende Beihilferichtlinie erneuern wollen.
Dass nun der 1. Oktober 2014 als Ausstiegsdatum auf dem Tisch liegt, wurmt nicht nur die Bundesregierung in Berlin. „Wir waren von der Entscheidung des Kollegiums sehr überrascht”, heißt es in Kreisen der Brüsseler Wettbewerbshüter, was ohne Diplomatenschnickschnack soviel heißt wie: Kommissar Almunia hat um seinen Standpunkt gekämpft wie ein Löwe – und verloren. Das höhere Tempo sei wenig nachvollziehbar und stelle die betroffenen Länder vor große Herausforderungen, heißt es in Almunias Umfeld.
Das ein Fachkommissar überstimmt wird, kommt in der Tat nicht häufig vor. Offenbar hatten vor allem die Klimakommissarin Connie Hedegaard und Umweltkommissar Janez Potocnik mit ihren Argumenten bei EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die besseren Karten. Auch um eine CO2-Steuer hatte es in der Vergangenheit bereits Streit im Kommissarskollegium gegeben. Steuerkommissar Algirdas Semeta will die geltenden EU-Mindestsätze für Verbrauchssteuern auf Kraftstoffe, Heizöl, Gas und Strom grundsätzlich überarbeiten, um eine zusätzliche CO2-Steuer aufzuschlagen. So will er die Verbrauchssteuern stärker am Energiegehalt und somit an den klimaschädlichen Emissionen ausrichten. Das Kollegium vertagte den Punkt auf die Zeit nach der Sommerpause.
Dreh- und Angelpunkt ist immer wieder die Frage, wie nachhaltig die Europäer künftig wirtschaften sollen. Darüber sind sich die Kommissare offenbar uneins.
Hintergrund der Auseinandersetzung um die Steinkohlebeihilfen sind die Ziele zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Kohlekraftwerke gelten als besonders klimaschädlich. Insgesamt haben die 27 EU-Mitglieder zwischen 2006 und 2008 jährlich im Schnitt noch rund 3,3Mrd. Euro an Steinkohlesubventionen gezahlt. Davon entfielen 2,1 Mrd. Euro auf Deutschland, 836 Mio. auf Spanien,110 Mio. auf Rumänien, 91 Mio. auf Polen und 42 Mio. Euro auf Ungarn.
Neben Deutschland wollen auch Spanien und Rumänien an den Kohlesubventionen festhalten. Allerdings verfügen sie im EU-Ministerrat nicht über die nötige qualifizierte Mehrheit, um den Kommissionsplan zu Fall zu bringen.

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Postat de pe data de 23 iul., 2010 in categoria România în lume. Poti urmari comentariile acestui articol prin RSS 2.0. Acest articol a fost vizualizat de 551 ori.

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