Zyanidlauge verseuchte vor zehn Jahren die Flüsse in Nordrumänien, der Westukraine und Ostungarn. Die Fabrik, in der der Unfall passierte, soll nun die Produktion wieder aufnehmen – sehr zum Missfallen der Anwohner.

Es war eine der schlimmsten Chemiekatastrophen in der europäischen Geschichte: Vor zehn Jahren, in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 2000, flossen mindestens 100.000 Tonnen zyanid- und schwermetallhaltiges Abwasser in die Flüsse Sasar, die Theiss und die Donau. In der Nähe der nordrumänischen Bergbaustadt Baia Mare war der Damm eines künstlichen Sees gebrochen, in den die Giftlaugen einer Goldhütte geleitet wurden. Damals war die Trinkwasserversorgung in Nordrumänien, der Westukraine und Ostungarn zeitweise lahmgelegt, in der Theiss starben Fische und Kleintiere.

Vor drei Jahren wurde die Goldproduktion vorläufig gestoppt und der Unfall ist fast in Vergessenheit geraten – ganz zu Unrecht. Zwar hat sich die Theiss offenbar schneller von der Katastrophe erholt, als erwartet. Doch viele Menschen in und um die Stadt Baia Mare leiden weiterhin an den Folgen der Giftkatastrophe. Nun will der neue Eigentümer der Fabrik die Goldproduktion wieder aufnehmen – mit der alten Technik der Zyanidwäsche. Dagegen regt sich Widerstand: Zehn Jahre nach dem Unfall wollen die Menschen in und um Baia Mare kein Leben mehr im ökologischen Ausnahmezustand.

Sasar in Nordrumänien ist ein 2000-Einwohner-Ort – auch er war von der Umweltkatastrophe betroffen. Die Kinder des Öko-Klubs pflanzen auf einer Wiese am Dorfrand Bäume, nicht zur Verschönerung, sondern zum Schutz. „In trockenen Sommern weht der Wind ständig giftigen Staub auf unsere Häuser und Gärten. So eine Baumreihe wird einen Teil des Staubes abhalten”, erklärt Rodica Babut, die Leiterin des Klubs. Sie weist mit der Hand in die Richtung, aus der der Staub kommt. In dreihundert Metern Entfernung ragt eine riesige Abraumhalde aus der Ebene empor – Rückstände von Bergbau und Metallverarbeitung, voller giftiger Schwermetalle.

Hundert Meter weiter liegt jener künstliche, fast einen Quadratkilometer große Abwassersee, aus dem vor zehn Jahren konzentrierte Zyanidlauge in die Flüsse gelang. Zwar wurde die Produktion vorläufig eingestellt, doch weder wurde das giftige Abwasser neutralisiert noch der künstliche See zugeschüttet. „Als der Damm brach, konnten wir uns nicht vorstellen, wie schlimm die Folgen sein würden. Erst hinterher haben wir gesehen, welche Gefahr da lauert”, erinnert sich Rodica Babut. 

Die 50-Jährige ist in Sasar geboren und aufgewachsen. Schon in ihrer Kindheit häufte der staatliche Bergbaubetrieb Remin neben dem Dorf giftigen Abraum zu einer Halde auf. Viele Männer aus Sasar arbeiteten in der Edel- und Schwermetallproduktion, niemand dachte über Umweltschutz nach. Erst der Zyanidunfall öffnete Babut die Augen. Sie wollte etwas tun – und gründete einen Öko-Klub für Kinder. Sie weiß, dass es nur eine kleine, fast hilflose Geste ist, und dass ihr Klub gegen die Umweltverschmutzung in der Gegend wenig ausrichten kann, doch sie engagiert sich weiter.

Sowohl die australisch-rumänische Firma Aurul, die den Unfall verursacht hatte, als auch die rumänischen Behörden taten nach der Giftkatastrophe wenig bis gar nichts, um die Bewohner aufzuklären oder sie zu schützen. Auch Entschädigungen gab es nicht. Aurul meldete kurz nach dem Unfall Konkurs an. Die australischen Eigentümer wollten Schadensersatzforderungen vermeiden.

Unter dem neuen Namen Transgold führten sie die Goldproduktion jedoch bis Ende 2005 fort, dabei kam es durch Rohrbrüche mehrfach zu kleinen Unfällen mit Zyanidlauge: Weiden und Brachland im Umkreis der Fabrik wurden überschwemmt. Inzwischen sind die Fabrikanlagen im Besitz des russischen Goldproduzenten Polyusgold. Der hat bei rumänischen Behörden eine neue Betriebsgenehmigung beantragt. Die Chancen, dass er sie erhält, sind gut – gäbe es da nicht einen störrischen Rentner.

Vasile Tatar steht an der Europastraße 58 am Stadtrand von Baia Mare. Der 62-Jährige zeigt auf große Tanks auf einem Fabrikgelände. „Wir stehen hier neben der ehemaligen Fabrik Aurul. Hier haben sie unter freiem Himmel Mineralstaub mit Zyanid vermischt und dann in die Fabrikanlagen gepumpt. Das Ganze geschah ungefähr 50, 60 Meter von meiner Wohnung entfernt.” Der pensionierte Armeeoberst hat wegen des Zyanidunfalls acht Jahre lang gegen die Fabrik und den rumänischen Staat prozessiert – mit Erfolg.

Alles begann vor zehn Jahren: Vasile Tatars Sohn Paul, damals 19 Jahre alt, erkrankte an chronischem Bronchialasthma – wenige Monate, nachdem die Goldproduktion mittels Zyanidwäsche angelaufen war. Vater Tatar verlangte vor Gericht die Schließung der Fabrik – und verlor in allen Instanzen. Doch er gab nicht auf und wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Vor einem Jahr, am 27. Januar 2009, erging das Urteil: Rumänien habe das Recht seiner Bürger auf eine saubere, gesunde Umwelt missachtet, verkündeten die Richter. Es war das erste Mal, dass der Straßburger Gerichtshof einen Staat wegen Umweltvergehen gegen seine Bürger verurteilte.

Doch damit ist das Problem nicht erledigt: Denn die rumänischen Behörden haben den Straßburger Richterspruch ignoriert. Vasile Tatar will nun erreichen, dass die Goldproduktion mittels Zyanidwäsche in Baia Mare endgültig verboten wird und verklagt den Staat auf die Umsetzung des Straßburger Urteils. „Ich bin sehr beharrlich. Und wenn es zehn Jahre dauert, bis das Urteil umgesetzt wird – ich werde solange kämpfen.”

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Angst vor einer erneuten Zyanidkatastrophe

Zyanidlauge verseuchte vor zehn Jahren die Flüsse in Nordrumänien, der Westukraine und Ostungarn. Die Fabrik, in der der Unfall passierte, soll nun die Produktion wieder aufnehmen – sehr zum Missfallen der Anwohner.

Es war eine der schlimmsten Chemiekatastrophen in der europäischen Geschichte: Vor zehn Jahren, in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 2000, flossen mindestens 100.000 Tonnen zyanid- und schwermetallhaltiges Abwasser in die Flüsse Sasar, die Theiss und die Donau. In der Nähe der nordrumänischen Bergbaustadt Baia Mare war der Damm eines künstlichen Sees gebrochen, in den die Giftlaugen einer Goldhütte geleitet wurden. Damals war die Trinkwasserversorgung in Nordrumänien, der Westukraine und Ostungarn zeitweise lahmgelegt, in der Theiss starben Fische und Kleintiere.

Vor drei Jahren wurde die Goldproduktion vorläufig gestoppt und der Unfall ist fast in Vergessenheit geraten – ganz zu Unrecht. Zwar hat sich die Theiss offenbar schneller von der Katastrophe erholt, als erwartet. Doch viele Menschen in und um die Stadt Baia Mare leiden weiterhin an den Folgen der Giftkatastrophe. Nun will der neue Eigentümer der Fabrik die Goldproduktion wieder aufnehmen – mit der alten Technik der Zyanidwäsche. Dagegen regt sich Widerstand: Zehn Jahre nach dem Unfall wollen die Menschen in und um Baia Mare kein Leben mehr im ökologischen Ausnahmezustand.

Sasar in Nordrumänien ist ein 2000-Einwohner-Ort – auch er war von der Umweltkatastrophe betroffen. Die Kinder des Öko-Klubs pflanzen auf einer Wiese am Dorfrand Bäume, nicht zur Verschönerung, sondern zum Schutz. „In trockenen Sommern weht der Wind ständig giftigen Staub auf unsere Häuser und Gärten. So eine Baumreihe wird einen Teil des Staubes abhalten”, erklärt Rodica Babut, die Leiterin des Klubs. Sie weist mit der Hand in die Richtung, aus der der Staub kommt. In dreihundert Metern Entfernung ragt eine riesige Abraumhalde aus der Ebene empor – Rückstände von Bergbau und Metallverarbeitung, voller giftiger Schwermetalle.

Hundert Meter weiter liegt jener künstliche, fast einen Quadratkilometer große Abwassersee, aus dem vor zehn Jahren konzentrierte Zyanidlauge in die Flüsse gelang. Zwar wurde die Produktion vorläufig eingestellt, doch weder wurde das giftige Abwasser neutralisiert noch der künstliche See zugeschüttet. „Als der Damm brach, konnten wir uns nicht vorstellen, wie schlimm die Folgen sein würden. Erst hinterher haben wir gesehen, welche Gefahr da lauert”, erinnert sich Rodica Babut. 

Die 50-Jährige ist in Sasar geboren und aufgewachsen. Schon in ihrer Kindheit häufte der staatliche Bergbaubetrieb Remin neben dem Dorf giftigen Abraum zu einer Halde auf. Viele Männer aus Sasar arbeiteten in der Edel- und Schwermetallproduktion, niemand dachte über Umweltschutz nach. Erst der Zyanidunfall öffnete Babut die Augen. Sie wollte etwas tun – und gründete einen Öko-Klub für Kinder. Sie weiß, dass es nur eine kleine, fast hilflose Geste ist, und dass ihr Klub gegen die Umweltverschmutzung in der Gegend wenig ausrichten kann, doch sie engagiert sich weiter.

Sowohl die australisch-rumänische Firma Aurul, die den Unfall verursacht hatte, als auch die rumänischen Behörden taten nach der Giftkatastrophe wenig bis gar nichts, um die Bewohner aufzuklären oder sie zu schützen. Auch Entschädigungen gab es nicht. Aurul meldete kurz nach dem Unfall Konkurs an. Die australischen Eigentümer wollten Schadensersatzforderungen vermeiden.

Unter dem neuen Namen Transgold führten sie die Goldproduktion jedoch bis Ende 2005 fort, dabei kam es durch Rohrbrüche mehrfach zu kleinen Unfällen mit Zyanidlauge: Weiden und Brachland im Umkreis der Fabrik wurden überschwemmt. Inzwischen sind die Fabrikanlagen im Besitz des russischen Goldproduzenten Polyusgold. Der hat bei rumänischen Behörden eine neue Betriebsgenehmigung beantragt. Die Chancen, dass er sie erhält, sind gut – gäbe es da nicht einen störrischen Rentner.

Vasile Tatar steht an der Europastraße 58 am Stadtrand von Baia Mare. Der 62-Jährige zeigt auf große Tanks auf einem Fabrikgelände. „Wir stehen hier neben der ehemaligen Fabrik Aurul. Hier haben sie unter freiem Himmel Mineralstaub mit Zyanid vermischt und dann in die Fabrikanlagen gepumpt. Das Ganze geschah ungefähr 50, 60 Meter von meiner Wohnung entfernt.” Der pensionierte Armeeoberst hat wegen des Zyanidunfalls acht Jahre lang gegen die Fabrik und den rumänischen Staat prozessiert – mit Erfolg.

Alles begann vor zehn Jahren: Vasile Tatars Sohn Paul, damals 19 Jahre alt, erkrankte an chronischem Bronchialasthma – wenige Monate, nachdem die Goldproduktion mittels Zyanidwäsche angelaufen war. Vater Tatar verlangte vor Gericht die Schließung der Fabrik – und verlor in allen Instanzen. Doch er gab nicht auf und wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Vor einem Jahr, am 27. Januar 2009, erging das Urteil: Rumänien habe das Recht seiner Bürger auf eine saubere, gesunde Umwelt missachtet, verkündeten die Richter. Es war das erste Mal, dass der Straßburger Gerichtshof einen Staat wegen Umweltvergehen gegen seine Bürger verurteilte.

Doch damit ist das Problem nicht erledigt: Denn die rumänischen Behörden haben den Straßburger Richterspruch ignoriert. Vasile Tatar will nun erreichen, dass die Goldproduktion mittels Zyanidwäsche in Baia Mare endgültig verboten wird und verklagt den Staat auf die Umsetzung des Straßburger Urteils. „Ich bin sehr beharrlich. Und wenn es zehn Jahre dauert, bis das Urteil umgesetzt wird – ich werde solange kämpfen.”

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Postat de pe data de 31 ian., 2010 in categoria România în lume. Poti urmari comentariile acestui articol prin RSS 2.0. Acest articol a fost vizualizat de 376 ori.

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