Am Wochenende wurden Flatrate-Bordelle durchsucht. Nutzt die Diskussion den Menschenrechten der Sexarbeiterinnen? Die Huren wehren sich jedenfalls gegen die Bevormundung
© Michael Latz
Während der Razzia in Fellbach vor dem Flatrate-Bordell „Pussy Club”
„Sex mit allen Frauen, solange du willst, so oft du willst und wie du willst.” So werben sogenannte Flatrate-Bordelle um Kunden. Der Aufenthalt kostet dort gerade mal 70 Euro. All inclusive.
Das klingt, als dürfe hier jeder Mann von jeder Frau jederzeit verlangen, was ihm beliebt – seltene Praktiken ebenso wie Sex ohne Kondom. Und die Frauen dürften nie ablehnen. Hinzu kommt, dass zum Beispiel im Pussy Club in Fellbach bei Stuttgart vor allem sehr junge Frauen aus Rumänien oder Moldawien arbeiten, die kaum Deutsch verstehen, was das Vorurteil nährt, unbedarfte Mädchen würden hier mehr oder weniger unfreiwillig ausgebeutet. So verwundert es nicht, dass Menschenrechtsorganisationen, Politiker und Kirchenverbände das Angebot als menschenverachtend verurteilen.
In Heidelberg und Fellbach wurden inzwischen die Flatrate-Bordelle geschlossen, allerdings aus hygienischen Gründen. Mehrere Hundert Beamte – unter anderem der Polizei, der Steuerfahndung und der Gesundheitsbehörden – hatten am Sonntag die Bordelle in Heidelberg, Fellbach, in Schönefeld bei Berlin und Wuppertal durchsucht. Denn die Behörden vermuteten, dass Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen und ausländische Prostituierte ohne Genehmigung beschäftigt wurden.
Diese Ermittelungen fanden unabhängig von der Diskussion um die Werbung statt. Gegen die Betreiberin und den Geschäftsführer der Bordell-Kette wurde Haftbefehl erlassen. Die Akten werden noch geprüft. Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll bezeichnete diese Bordelle als „knallhartes Geschäft”, das „wohl von der organisierten Kriminalität gesteuert” ist.
Doch weder die Hygiene noch die Sozialversicherung ist ein spezifisches Problem von Flatrate-Bordellen allein. Sozialversicherung wird nur für Angestellte fällig, aber die Prostituierten arbeiten meist als Selbstständige. Und da ist die Grenze zur Scheinselbstständigkeit nicht weit.
Goll sagte deutlich, wogegen die Politik vorgehen will: „Wenn man deren Werbung ernst nimmt, ist von einem Verstoß gegen die Menschenwürde der dort arbeitenden Prostituierten auszugehen.”
Aber muss man Werbung ernst nehmen? Der Prostituiertenverein Dona Carmen plädiert mithilfe von Anzeigen in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau und zusammen mit anderen Hurenverbänden in einem offenen Brief gegen die Schließung von Bordellen.
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Die selbstbestimmte All-inclusive-Hure

Am Wochenende wurden Flatrate-Bordelle durchsucht. Nutzt die Diskussion den Menschenrechten der Sexarbeiterinnen? Die Huren wehren sich jedenfalls gegen die Bevormundung
© Michael Latz
Während der Razzia in Fellbach vor dem Flatrate-Bordell „Pussy Club”
„Sex mit allen Frauen, solange du willst, so oft du willst und wie du willst.” So werben sogenannte Flatrate-Bordelle um Kunden. Der Aufenthalt kostet dort gerade mal 70 Euro. All inclusive.
Das klingt, als dürfe hier jeder Mann von jeder Frau jederzeit verlangen, was ihm beliebt – seltene Praktiken ebenso wie Sex ohne Kondom. Und die Frauen dürften nie ablehnen. Hinzu kommt, dass zum Beispiel im Pussy Club in Fellbach bei Stuttgart vor allem sehr junge Frauen aus Rumänien oder Moldawien arbeiten, die kaum Deutsch verstehen, was das Vorurteil nährt, unbedarfte Mädchen würden hier mehr oder weniger unfreiwillig ausgebeutet. So verwundert es nicht, dass Menschenrechtsorganisationen, Politiker und Kirchenverbände das Angebot als menschenverachtend verurteilen.
In Heidelberg und Fellbach wurden inzwischen die Flatrate-Bordelle geschlossen, allerdings aus hygienischen Gründen. Mehrere Hundert Beamte – unter anderem der Polizei, der Steuerfahndung und der Gesundheitsbehörden – hatten am Sonntag die Bordelle in Heidelberg, Fellbach, in Schönefeld bei Berlin und Wuppertal durchsucht. Denn die Behörden vermuteten, dass Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen und ausländische Prostituierte ohne Genehmigung beschäftigt wurden.
Diese Ermittelungen fanden unabhängig von der Diskussion um die Werbung statt. Gegen die Betreiberin und den Geschäftsführer der Bordell-Kette wurde Haftbefehl erlassen. Die Akten werden noch geprüft. Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll bezeichnete diese Bordelle als „knallhartes Geschäft”, das „wohl von der organisierten Kriminalität gesteuert” ist.
Doch weder die Hygiene noch die Sozialversicherung ist ein spezifisches Problem von Flatrate-Bordellen allein. Sozialversicherung wird nur für Angestellte fällig, aber die Prostituierten arbeiten meist als Selbstständige. Und da ist die Grenze zur Scheinselbstständigkeit nicht weit.
Goll sagte deutlich, wogegen die Politik vorgehen will: „Wenn man deren Werbung ernst nimmt, ist von einem Verstoß gegen die Menschenwürde der dort arbeitenden Prostituierten auszugehen.”
Aber muss man Werbung ernst nehmen? Der Prostituiertenverein Dona Carmen plädiert mithilfe von Anzeigen in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau und zusammen mit anderen Hurenverbänden in einem offenen Brief gegen die Schließung von Bordellen.
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Postat de pe data de 20 mai, 2010 in categoria România în lume. Poti urmari comentariile acestui articol prin RSS 2.0. Acest articol a fost vizualizat de 613 ori.

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